Aktualisierung 11. April 2010.
Ausführlicher auf der Seite: www.lambert-eaton-syndrom.info
(Alle Ergänzungen und Aktualisierungen nur noch dort).
Die chemische Substanz 3,4-Diaminopyridin ist seit Ende Dezember 2009
europaweit zugelassen: EU-Nummer EU/1/09/601/001.
Handelsname: Firdapse™ der Firma BioMarin Pharmaceuticals
LTd.
Stärke 10 mg, Darreichungsform Blister
(Alu/PVC/PVDC, Art der Anwendung: zum Einnehmen. Verpackung
Blister, d.h. die Tabletten sind eingeschweißt). Packungsgröße 100 x 1 Tablette.
Marktverfügbarkeit voraussichtlich März / April 2010.
Auf Rezept in jeder Apotheke.
Wichtig für Ihre Krankenkasse:
Amifampridin (= Wirkstoffname der chemischen Substanz 3,4-Diaminopyridin)
erfüllt die Voraussetzung für eine Kostenübernahme durch die GKV: Seit 2008
ist Amifampridin unter die Verschreibungspflicht gestellt worden.
Krankenversicherung/KV: 3,4-DAP Kostenübernahme bei LEMS?
Ja!
Sie sollten sich auf folgendes Gesetz berufen. Das folgende Zitat stammt aus einer
Veröffentlichung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte im Internet.
"Stand: 08.08.2006
Mit dem 14. Änderungsgesetz zum Arzneimittelgesetz (AMG) wurde der "Compassionate Use"
auch in das nationale Arzneimittelrecht aufgenommen. § 21 Abs. 2 AMG sieht unter Nr. 6 vor:
"(2) Einer Zulassung bedarf es nicht für Arzneimittel, die
1. […]
6. unter den in Artikel 83 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 genannten Voraussetzungen für eine Anwendung bei Patienten zur Verfügung gestellt werden, die an einer zu einer schweren Behinderung führenden Erkrankung leiden oder deren Krankheit lebensbedrohend ist, und die mit einem zugelassenen Arzneimittel nicht zufrieden stellend behandelt werden können; Verfahrensregelungen werden in einer Rechtsverordnung nach § 80 bestimmt. […]"“
Zitat: [BFAfarM
- Hinweise zu "Compassionate Use"-Programmen]
Mir liegt das Schreiben einer Gesetzlichen KV vor. Nachfolgend Auszüge aus dem
ablehnenden Bescheid:
Die Geschäftsstelle hatte sich an eine örtliche "Apotheker-Zentrale" gewandt, die
schlug vor, den "Medizinischen Dienst der Krankenversicherung" (MDK des
betreffenden Bundeslandes) um gutachterliche Äußerung zu bitten. Die veranlasste
die Weiterleitung der Unterlagen an den MDK eines anderen Bundeslandes. Dieser
wandte sich offensichtlich nicht an eine/n Wissenschaftler/in mit
Forschungsschwerpunkt LEMS, sondern stützt das Gutachten ausschließlich auf
höchst anfechtbare Aussagen einer bestimmten Institution.
Mit keinem Wort ist in dem Gutachten erwähnt, dass es sich bei 3,4-DAP um eine
"Orphan Drug" handelt, s.u.
Der Sachbearbeiter der "Gesundheitskasse" hat sich nicht die geringste Vorstellung
davon verschafft, was es bedeutet, LEMS-Betroffene/r zu sein. Von den
Behandlungsmöglichkeiten bzw. Beschränkungen hat er keine Ahnung und strebt
diese offensichtlich auch nicht an. Entsprechend wird das Kassenmitglied
mit folgenden "lässigen" Schlussformulierungen verhöhnt.
Die Gesundheitskasse auf dem Weg zur "Spar"-Kasse.
"Ich darf Ihnen...empfehlen, sich mit Ihrem Behandler in Verbindung zu setzen,
damit Sie mit einem für die Behandlung Ihrer persönlichen [!] Beschwerden
geeignetes, zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähiges
Arzneimittel versorgt werden; hierauf haben Sie einen gesetzlichen Anspruch. Außer
dem Mittel 'Mestinon', welches Sie individuell als unverträglich erklärt haben, müsste
es doch in diesem unseren Lande [!] noch weitere verordnungsfähige
Alternativmittel geben [! Er hat nichts begriffen. Außerdem hat Mestinon keine
Zulassung für LEMS]. Nach meinen Erkundigungen, dies nur zur Information [!] wird
'Mestinon' in dreierlei Stärken....Die gesetzliche Zuzahlung...."
Der Bescheid ist ein Beispiel dafür, dass Patienten die Kosten(übernahme) für
Behandlungen abgelehnt wird, ohne dass dadurch tatsächlich und überzeugend
Kosten eingespart werden. Das Leid der chronisch Schwerkranken wiegt wohl kaum
gegenüber irgendwelchen Buchstaben-Kombinationen. Um einen Ablehnung-"Erfolg"
erreichen, d.h. "formulieren" zu können, scheint kein Verwaltungsaufwand zu teuer..
Im Fall von 3,4-DAP bei LEMS hätten der Sachbearbeiter - und natürlich auch alle
von ihm eingeschalteten Stellen - lediglich in die Liste der Orphan Drugs zu schauen
brauchen. Kein Wort davon im Bescheid.
Falls Sie einen Ablehnungsbescheid vorliegen haben: Bitte senden Sie mir eine Kopie!
Klarstellung:
3,4-Diaminopyridin (3,4-DAP) ist Standard in der symptomatischen Behandlung des
Lambert-Eaton Myasthenischen Syndroms (LEMS).
Auf Antrag eines französischen Herstellers wurde dem Kaliumkanalblocker
3,4-Diaminopyridin zur Behandlung des Lambert-Eaton Myasthenischen Syndroms
von der EU (EMEA) am 18.12.2002 der Status einer Orphan Drug zuerkannt. (1)
"Ein Arzneimittel wird als Orphan Drug bezeichnet, wenn es für die Diagnose,
Verhütung oder Behandlung einer Krankheit bestimmt ist, die entweder
lebensbedrohlich ist, zu schwerer Invalidität führt oder einen chronischen Verlauf mit
sich bringt. Dabei dürfen zum Zeitpunkt der Antragstellung innerhalb der EU nicht
mehr als 5 von 10.000 Einwohnern von dieser Krankheit betroffen sein ....Dabei
muss der angemeldete Wirkstoff genügend Anhaltspunkte für einen Erfolg
versprechenden Einsatz bieten. (2)
Lt. Orphan Drug Verordnung der EG Nr. 141/2000 des Europäischen
Parlaments müssen Patienten mit seltenen Erkrankungen dasselbe Recht
auf gute Behandlung haben wie andere Patienten.
Mir sind aktuell Fälle bekannt geworden, in denen die Krankenversicherung die
Kostenübernahme für 3,4-DAP ablehnt, und zwar unter Berufung auf die
Vorschriften im Neuen Rezeptur Formularium (Deutscher Arzneimittel Codex). (3)
Vorsicht Fehler: Das NRF, in der Fassung vom 30. Mai 2005, enthält jedoch Fehler und unzulässige Verallgemeinerungen (4). Die sorglose Behandlung des Themas 3,4-DAP (und 4-AP) ist in der folgenden Aussage zusammengefasst: "Versuchsweise als reversibler Calciumkanalblocker bei schwerwiegenden Erkrankungen". Ich habe das NRF auf den Druckfehler bei der Klassifizierung von 3,4-DAP gemacht, die Korrektur folgte sofort Anfang 2006. Wenn Sie sich in der Apotheke im Hinblick auf Medikamenten-Kombinationen beraten lassen, könnte es sein, dass nicht korrekt informiert ist. Das könnte tragische Konsequenzen in Richtung Myasthene Krise haben.
Richtig ist:
3,4-DAP ist ein Kaliumkanalblocker. Calciumkanalblocker können bei LEMS zu einer lebensbedrohlichen Exazerbation der Muskelschwäche führen (Myasthene Krise).
Irritierend ist im NRF allerdings auch, dass 3,4-DAP und 4-AP unter "umstrittene" bzw. "obsolete" und "versuchsweise" anzuwendende Rezepturen zusammengefasst sind. Es könnte der Eindruck entstehen, sie seien problemlos austauschbar.
Die Substanzen werden in unzulässiger Kürze beschrieben; wissenschaftliche Belege in Form von Primärliteratur fehlt.
Als Anwendungsbereiche werden LEMS, Multiple Sklerose, Spinale Läsionen und Downbeat Nystagmus en bloc aufgezählt.
Tatsächlich handelt es sich bei den Erkrankungen um unterschiedliche Schädigungen und Störungen: Reduzierte Acetylcholin-Ausschüttung präsynaptisch mit der Folge einer gestörten neuromuskulären Transmission (LEMS); u.a. um Demyelinisierung und entzündliche Prozesse (MS); um Verletzungen der Wirbelsäule und um eine Augenbewegungsstörung aufgrund einer zentralen. Störung (DBN).
3,4-DAP und 4-AP wirken beide als Kaliumkanalblocker, sind jedoch bei unterschiedlichen Erkrankungen unterschiedlich erfolgreich, auch die UAW treten in unterschiedlicher Stärke auf.
Beide Substanzen durchbrechen die Blut-Hirnschranke, 4-AP jedoch leichter als 3,4-DAP, so dass 4-AP bei Fatigue wahrscheinlich erfolgreicher ist.
Die Anwendung von 3,4-DAP zur symptomatischen Behandlung der Muskelschwäche bei LEMS ist in keiner Weise "strittig" wie im NRF behauptet, sondern etabliert.
Bei der in der Fachliteratur dokumentierten guten Erfolgsrate sollte nach über 20 Jahren Erfahrung nicht mehr der Terminus "Versuchsweise Anwendung" benutzt werden,. Er ist irreführend.
Stellvertretend für andere Autoren, die sich in ähnlicher Weise äußern, möchte ich hier Donald B. Sanders zitieren (5):
"Nach unserer Erfahrung profitieren 85 % der LEMS-Patienten klinisch signifikant von DAP."...Organschäden seien auch nach 10 Jahren Einnahme von Aminopyridinen nicht berichtet worden.
D. B. Sanders liefert übrigens nach meiner Kenntnis die detailliertesten Empfehlungen, sowohl im Hinblick auf die Dosierung, als auch auf Vorsichtsmassnahmen bei der Anwendung von 3,4-DAP (und 4-AP). Sanders resümiert: "Die Erfahrung zeigt, dass ...[3,4-DAP], verabreicht in dieser Weise, eine sichere, effektive und wertvolle Behandlung darstellt."
In den USA ist 3,4-DAP - vergleichbar dem Orphan Drug Status in Europa - "for the compassionate use" zugelassen. Die Food and Drug Administration (FDA) hat die Firma Jacobus Pharmaceutical beauftragt, Tabletten herzustellen und kostenlos den behandelnden Ärzten zur Verfügung zu stellen.
Die Besprechung des NRF-Textes ist keineswegs vollständig.
Wenn Ihnen der Arzt 3,4-Diaminopyridin verordnet...
...kann es sein, dass Ihre KV, vor der Kostenübernahme die Bescheinigung des behandelnden Arztes anfordert, dass, in Anlehnung an die EU-Verordnung, nachfolgend aufgezählte Bedingungen (gleichzeitig) erfüllt sind.
Es handelt sich um eine schwerwiegende chronische, die Lebensqualität auf Dauer beeinträchtigende Erkrankung,
(bei LEMS ist der Verlauf darüber hinaus überwiegend lebensbedrohlich).
Es steht kein anderes vergleichbar wirksames und nebenwirkungsarmes
Arzneimittel zur symptomatischen Behandlung zur Verfügung.
Die Erfüllung dieser Kriterien, ergibt sich im Grunde schon daraus, dass LEMS als Orphan Disease durch die entsprechende Europäische Kommission (EMEA( ausgewiesen ist. Daran sollte ggf. unter Angabe der EU-Nummer. und des "Date of Designation", s.o., hingewiesen werden – ggf. also noch einmal ausdrücklich zusätzlich zu § 21 Abs. 2 AMG.
(1) EU/3/02/124/ 3,4-diaminopyridine phosphate for the. Treatment of Lambert-Eaton myasthenic syndrome. Antragsteller: Agence générale des équipements et produits de santé -Etablissement pharmaceutique des hôpitaux de Paris (AGEPSEPHP) 18.12.2002.
(2) EG-Verordnung Nr. 141/2000, Art. 3 (1))". (http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/l21167.htm Stand 11.01.2006) Zitat: Christian Mävers: Marktversagen auf dem Markt für Orphan Drugs?. Diplomarbeit TU Berlin 2004. Grin Verlag GbR, Seite 53.
(3) "Neues Rezeptur-Formularium ABDA – Bundesvereinigung Deutscher pothekerverbände. Pharmazeutisches Laboratorium ! Govi-Verlag, Pharmazeutischer Verlag. GmbH....
Rezepturhinweise: 3,4-Diaminopyridin und 4-Aminopyridin"
www.dac-nrf.de) / www.pharmazeutische-zeitung.de/ fileadmin/nrf/PDF/1-iaminopyridin.pdf.
(4) Von mir im Internet aufgerufen am 11. Jan. 2006.
(5) Lambert-Eaton Myasthenic Syndrome Diagnosis and Treatment-
DONALD B. SANDERS Duke University Medical Center, Durham, North Carolina 27710, USA.Ann. N.Y. Acad. Sci. 998: 500–508 (2003). doi: 10.1196/annals.1254.065
Copyright © 2003 by the New York Academy of Sciences. (Übertragung ins Deutsche: Freya Matthiessen).
Die folgende Literaturauswahl trägt zur Behandlung des Themas "3,4-DAP als Standardtherapie" bei:
Maddison P, Newsom-Davis J: Treatment for Lambert-Eaton myasthenic syndrome. Cochrane-Database-of systematic-reviews-Online-Update-Software. 2003/6.
Sanders DB, Massey JM, Sanders LL, Edwards LJ: A randomized trial of 3,4-Diaminopyridine in Lambert-Eaton myasthenic syndrome. Neurology 2000; 54:
603-607.
Tim RW, Massey JM, Sanders DB: Lambert-Eaton syndrome (LEMS): Clinical and electrodiagnostic features and response to therapy in 59 patients. Ann NY Acad Sci 1998; 841: 823-826.
Lundh H, Nilsson O, Rosen I, et al: Practical aspects of 3,4-diaminopyridine treatment of the Lambert- Eaton myasthenic syndrome. Acta Neurol Scand 1993; 88: 136-140.
McEvoy KM, Windebank AJ, Daube JR, et al: 3,4-Diaminopyridine in the treatment of Lambert-Eaton myasthenic syndrome. N Engl J Med 1989; 321: 1567
O'Neill JH, Murray NMF, Newsom-Davis J: The Lambert-Eaton myasthenic syndrome. A review of 50 cases. Brain 1988; 111: 577-596.
Lundh H, Nilsson O, Rosen I: Novel drug of choice in Eaton-Lambert syndrome. J Neurol Neurosurg Psychiatry 1983; 46: 684-687.
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